Ein ansehnliches Gehöft mit langer Geschichte
Die Geschichte der Seemühle reicht zurück bis ins 13. Jahrhundert.
Sie ist – wie andere Mühlen im Rems-Murr-Kreis – ein wichtiger Zeuge der Vergangenheit.
Heute ist die Seemühle die einzige Mühle im Weissacher Tal, die noch gewerblich genutzt wird.
Foto: Alexander Becher
Historische Aufnahme der Seemühle.
Die Erbauertafel ist heute noch erhalten.
1245 wurde die Seemühle erstmals urkundlich erwähnt. Sie steht unterhalb eines Damms, den man noch heute im Verlauf der Straße Seemühle und der Kreisstraße nach Aichholzhof erkennen kann. Jenseits lag der Weissacher See, der die gesamte Talaue zwischen Cottenweiler, Aichholzhof und Oberweissach ausfüllte. Markgraf Hermann V. von Baden (1190 bis 1243) hatte den See anlegen lassen, wohl auch in Absicht, genügend Wasser und das nötige Gefälle für den Antrieb eines Mühlrads zu bekommen. Doch das ganze Gelände samt dem Seegut und den Orten rund um den See gehörte dem Backnanger Chorherrenstift. Der Markgraf hatte nur das Recht, den See als Fischteich zu nutzen, nicht aber, eine Mühle an seinem Ufer zu bauen – so war die ganze Arbeit umsonst. Was sie dem Markgrafen untersagt hatten, setzten die Chorherren nach dessen Tod im Jahr 1243 sofort um. Die Seemühle und eine weitere Mühle in Oberweissach brachten Zins in Form von Geld und Naturalien. Wohl aus diesem Grund hatte das Augustinerkloster keine Konkurrenz dulden wollen. 1595 besaß die Seemühle drei Wasserräder, die drei Mahlgänge und einen Gerbgang antrieben. Nachdem beide Weissacher Mühlen wahrscheinlich durch ein Hochwasser zerstört worden waren, hatte Hannß Heinrich Müller die Seemühle wieder instandgesetzt und zahlte Pacht an den Herzog von Württemberg. Im frühen Mittelalter genoss der Müller ein hohes Ansehen, trug er doch maßgeblich zur Volksernährung bei. Nicht zuletzt wurde der Müller wegen seines technischen Verständnisses und der Beherrschung der Naturgewalt Wasser bewundert. Zugleich haftete den Müllern ein zwielichtiger Ruf an, unehrlich abzuwiegen oder Mehl abzuzweigen. Die einsame Lage der Mühlen außerhalb des Dorfs mag zu diesem Ruf beigetragen haben und bot Raum für Aberglauben, unerklärliche und unheimliche Gespensterwesen und Gruselgeschichten. Das heutige Gebäude der Seemühle Unterweissach stammt aus dem Jahr 1743, so ist es auf einer Steinplatte mit Erbauerinschrift zu lesen. 1866 gehörten Pferdeställe, eine Scheune und ein Wagenschuppen zu dem Anwesen, die heute teils noch als Nebengebäude vorhanden sind. Die Seemühle war also ein ansehnliches Gehöft. Und der Müller war seinerzeit – nach zwei Wirten – der drittgrößte Steuerzahler am Ort. 1968 wurde die Mühle voll automatisiert und mit Strom betrieben. Heute ist die Mühle die einzige im Weissacher Tal, die noch als gewerbliche Mühle betrieben wird. Tatsächlich zählten Mühlen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Im Schwäbischen Wald waren die Mühlen – nicht zuletzt wegen ihrer häufigen Doppelfunktion als Mahl- und Sägemühle – in den vergangenen Jahrhunderten bedeutende Wirtschaftsbetriebe. Allein im Bereich um Welzheim befanden sich einst 26 Mühlen. Die Mahlmühlen bestanden in der Regel aus einem gemauerten Erdgeschoss und einer darüberliegenden Fachwerkkonstruktion. Hier war oft die Wohnung des Müllers untergebracht.
Manfred Thiel hat seine Arbeit immer schon transparent gemacht. Hier zeigt er im Jahr 2007, wie er die Feuchte von Getreide testet.
Archivfoto: Edgar Layher
Die Sägemühlen waren fast immer einfache, einstöckige Holzkonstruktionen. Da sie häufig als Gemeinschaftsmühlen im Besitz mehrerer Bauern waren und gemeinsam genutzt wurden, fielen Nebengebäude und Wohnung weg – so zum Beispiel bei der Hummelgautsche. Durch die Holzbauweise fielen die Sägemühlen häufig Bränden zum Opfer beziehungsweise litten sie unter den Witterungseinflüssen. Deshalb sind im Schwäbischen Wald auch die meisten Sägemühlen verschwunden. Als kombinierte Mahl- und Sägemühle waren die beiden Gebäude häufig mit einem überdachten Steg verbunden – wie bei der Heinlesmühle. Oft befanden sich an einer Mühle bis zu vier Mühlräder (ehemals Menzlesmühle). An der Heinlesmühle sind noch heute zwei Mühlräder zu sehen. Der Rems-Murr-Kreis trägt schon seit Langem mit Renovierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen dazu bei, diese wichtigen Zeugen der Vergangenheit zu erhalten. Bei der bundesweiten Eröffnung des Deutschen Mühlentags 2008 an der Seemühle Unterweissach ging der damalige Kreischef Johannes Fuchs auf die Historie des Mühlentags ein: „Geboren wurde der Mühlentag des Schwäbischen Waldes nicht durch einen Müller, sondern durch einen Sparkassendirektor der Kreissparkasse Welzheim, denn deren damaliger Leiter, Dietrich Frey, gehört neben Dr. Gerhard Fritz und Eberhard Bohn aus Murrhardt zu den Männern der ersten Stunde.“ Sie initiierten nach den Worten von Fuchs ein breites bürgerschaftliches Engagement. So sei es gelungen, zahlreiche Bauzeugen einer jahrhundertealten Entwicklung zu erhalten, die im Rems-Murr-Kreis bis ins 6. und 7. Jahrhundert zurückreicht. 1978 wurde der Mühlenwanderweg ins Leben gerufen und mit dem Mühlensymbol ausgeschildert. Er verbindet auf einem 37 Kilometer langen Rundweg 13 der schönsten noch erhaltenen Mühlen. Für kürzere Wanderungen stehen acht ausgeschilderte Rundwege mit fünf bis 19 Kilometern Länge zur Verfügung.
Deutscher Mühlentag im Schwäbischen Wald
BewirtungAn allen Mühlen gibt es Bewirtung und sie laden zum Verweilen am Mühlenwanderweg ein.
Quelle Text: BKZ vom 17.05.2024